Das (nicht ganz so) geheime Wörterbuch der Zahnarztsprache
Ich liege ganz entspannt zur Kontrolluntersuchung auf dem Behandlungsstuhl und lasse mir vom Zahnarzt meines Vertrauens auf den Zahn fühlen. Während der Zahnmediziner alles in meinem Mund genau ausleuchtet, vorsichtig beklopft oder hier und da am Zahn schabt, gibt er der Zahnmedizinischen Fachangestellten ganz sachlich Zahlen, Buchstaben und Abkürzungen durch. Mich beschleicht der Verdacht, dass hier geheime Codes ausgetauscht werden, damit ich als Patient ruhig und gelassen bleibe, während die beiden Fachleute ein vernichtendes Urteil über meine Zähne fällen. Allmählich werde ich doch ein bisschen nervös.
Links, zwo, drei, vier
So ein dentistischer Fachjargon kann ganz schön beunruhigend klingen – wie vieles, das man nicht versteht. In einem untersuchungsfreien Moment äußere ich meine wachsenden Bedenken. Mein Zahnarzt muss lachen und erklärt mir, dass dieser Code die beste Möglichkeit ist, möglichst effizient die Position eines Zahns zu beschreiben, seinen Zustand und die Stelle, an der eine Beschädigung oder Erkrankung vorhanden ist. Der Zahnarzt beurteilt die Zähne nicht etwa nach Schema F, sondern anhand eines festgelegten einheitlichen Zahnschemas, das jeden einzelnen Zahn im Mund abbildet. Jede Kieferhälfte und jeder Zahn hat in diesem Schema eine individuelle Zahl.
Wenn in Ihrer Patientenakte also 1-4 c eingetragen wird, dürfen Sie damit rechnen, dass in Ihrem rechten Oberkiefer (Quadrant 1) demnächst ein kleiner Backenzahn (Nummer 4) angebohrt wird. Dieses unschuldig wirkende c steht nämlich für den Befund "kariös" (von Caries). Eine Steigerung der Diagnose "kariöse Stelle" gibt es übrigens auch: cp steht für Caries Profunda. Was das genau ist, können Sie hier nachlesen. So viel sei vorab verraten: Wenn Sie das haben, tut es richtig weh.
Das ABC der Zahnarztsprache
Das war aber noch lange nicht alles. Hier kommt die Auflösung für die übrigen rätselhaften Buchstaben, die einen zahnmedizinischen Befund beschreiben:
f: Das f steht für einen fehlenden Zahn.
z: Dieser Zahn ist zerstört.
x: Dem so bezeichneten Exemplar droht vermutlich bald der Garaus, denn er ist bereits extraktionswürdig.
e: Das bedeutet, Sie haben einen ersetzten Zahn.
o.b.: Diese Bezeichnung ist jedem Patienten am liebsten: Dieser Zahn ist ohne Befund und kerngesund.
Dann gibt es noch Buchstaben für den vorhandenen Zahnersatz und seine Bestandteile:
k bezeichnet eine künstliche Krone, die Abkürzung Pk steht für eine Teilkrone, b bedeutet Brückenglied und i ist ein Implantat. Mit einem t im Befund ist eine Teleskopkrone gemeint, mit einem o ein Geschiebe, und hinter dem h verbirgt sich ein Halteelement (zum Beispiel die Klammer einer Prothese).
Distal? Zervikal? Ist das normal?
Wenn sie bis hierhin mitgekommen sind, haben Sie gute Chancen, auch den Rest zu verstehen. Wir kommen jetzt zum Teil des geheimen Codes, der die Stelle am Zahn beschreibt, an der ein Schaden vorhanden ist. Denn im Mund gibts ja nicht nur vorne und hinten, sondern auch oben, unten, rechts und links. Die Zähne haben ebenfalls verschiedene Seiten, und sie haben auch Wurzeln, Schneidkanten oder Kaufflächen.
Das alles will kurz und knapp, aber eindeutig beschrieben werden, damit absolut klar ist, um welchen Zahn es sich handelt, was ihm fehlt und an welcher Stelle. Dafür verwendet der Zahnarzt richtungsweisende lateinische Begriffe, die fast ein bisschen so klingen wie merkwürdige Zauberformeln:
approximal: der Raum zwischen zwei Zähnen
bukkal: die Seite des Zahns, die zur Wange hin zeigt
distal: von der Mitte des Kiefers weg
labial: zur Lippe zugewandt
lingual: zur Zunge zugewandt
mesial: zur Kiefermitte hin gewandt
okklusal: kauflächenwärts (also oben auf dem Zahn)
palatinal: den Gaumen betreffend
vestibulär: zum Mundvorhof hin
zervikal: zum Zahnhals hin
Alles klar?
Glückwunsch, liebe Patientinnen und Patienten! Wenn Sie aufgepasst haben, sprechen Sie jetzt auch Dentistisch. Ich lehne mich jedenfalls wieder entspannt zurück und lasse meinen Zahnarzt seinen Job machen. Zahlen, seltsame Abkürzungen und medizinische Fachbegriffe machen mich nicht mehr nervös, da bleibe ich absolut cool.
Moment mal … hat mein Zahnarzt gerade 3-5 c gesagt? Hallo? Kann ich vielleicht doch etwas von dem Lachgas bekommen, bevor der Bohrer anrückt?