Studie bestätigt: Parodontitis fördert das Risiko für Alzheimer
Eine chronische Entzündung des Zahnhalteapparats bedroht nicht nur Zahnfleisch, Zähne und Kieferknochen. Dass die Erkrankung des Zahnbetts auch das Risiko für Herzinfarkte, Diabetes, Schlaganfälle oder für Frühgeburten erhöht, ist schon länger bekannt. Schon mehrere wissenschaftliche Untersuchungen ergaben einen Zusammenhang zwischen chronischer Parodontitis (früher: Parodontose) und der Alzheimer-Demenz. Eine Studie der Universität Greifswald bestätigte ebenfalls: Menschen mit einer unbehandelten Parodontitis haben ein höheres Risiko für den Abbau von Gehirnsubstanz und Alzheimer.
Eine Zahnfleischentzündung kann zu Alzheimer führen?
Wenn es beim Zähneputzen oder beim Hantieren mit der Zahnseide blutet, sind fast immer Bakterien die Ursache. Unzureichend beseitigte Essensreste in den Zahnzwischenräumen oder am Zahnfleischsaum bilden die Nahrung für bestimmte Bakterienarten. Ihre Ausscheidungen – Säuren und Giftstoffe – greifen Zähne und Zahnfleisch an. Das Immunsystem beginnt mit der Bekämpfung der schädlichen Stoffe, indem es diese Bereiche stärker durchblutet und knochenabbauende Zellen aktiviert.
Beschränkt sich eine Zahnfleischentzündung anfangs nur auf das sichtbare Zahnfleisch, lässt sie sich noch mit verbesserter Zahnpflege und guter Mundhygiene in den Griff bekommen. Wenn die Bakterien sich aber bis in den Untergrund des Zahnhalteapparats ausbreiten können und die Entzündung weiter voranschreitet, entwickeln sich tiefe Zahnfleischtaschen und das Zahnfleisch zieht sich immer weiter zurück. Die Zähne werden optisch länger, da die Zahnwurzeln sichtbar werden, und der Kieferknochen baut sich ab. Im Zahnbett wütet die bakterielle Infektion unbemerkt, da sie keine Schmerzen verursacht. Die zentrale Rolle in diesem Drama spielt ein Keim, der für die Entstehung der Parodontitis verantwortlich ist: Porphyromonas gingivalis. Das Bakterium nistet sich bevorzugt in den Zahnfleischtaschen ein und ist in der Lage, sich über Zellen im Gewebe auszubreiten und die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden.
Wissenswertes zum Parodontitis-Leitkeim
Den Erreger Porphyromonas gingivalis findet man hauptsächlich unterhalb des Zahnfleischrands. Bei gesundem Zahnfleisch taucht er praktisch gar nicht auf, bei Patienten mit Parodontitis besiedelt er mit Vorliebe die tiefen Zahnfleischtaschen, die mit der Erkrankung einhergehen. Das Bakterium ernährt sich nicht von Zucker wie die Kariesbakterien, sondern veranlasst Entzündungen im Gewebe. Andere Bakterien bauen das entzündete Gewebe ab und liefern dem Parodontitis-Keim damit seine Nahrung. Durch die entzündeten Zahnfleischtaschen bei einer Parodontitis gelangt er in den Blutkreislauf (Bakteriämie). Das kann auch bei Zahnextraktionen, chirurgischen Eingriffen, Sondierungen und sogar beim Zähneputzen passieren. Wissenschaftler halten es für möglich, dass der Keim eine andauernde Entzündung im Gehirn hervorruft, um sich mit Nährstoffen daraus zu versorgen. Die chronische Entzündung schädigt die Neuronen, was sich bei älteren Patienten als Alzheimer-Erkrankung manifestieren kann.
Wie entsteht Morbus Alzheimer?
Die Erkrankung ist die häufigste Form einer Demenz. Amyloid-Plaques (auch Alzheimer-Plaques) sind krankhafte Protein-Ablagerungen an den Außenseiten der Nervenzellen im Gehirn. Bei Alzheimer-Patienten sterben diese Zellen mit steigendem Lebensalter unaufhaltsam ab. Patienten werden zunehmend vergesslich, verlieren die Orientierung und ihre kognitiven Fähigkeiten. Die Lernfähigkeit und das Kurzzeitgedächtnis werden bei der Alzheimer-Demenz am stärksten eingeschränkt. Die genauen Ursachen sind bis heute nicht restlos identifiziert, jedoch gelten unter anderem entzündliche Prozesse als ein Faktor, der Einfluss auf die Erkrankung hat. Morbus Alzheimer ist unheilbar, allenfalls das Fortschreiten der Demenz kann verlangsamt werden. Bewegung, soziale Kontakte, das Training der geistigen Fitness und auch die richtige Ernährung können das Risiko für die Krankheit verringern.
Was hat Porphyromonas gingivalis mit der Alzheimer-Krankheit zu tun?
In 2019 sorgten die Ergebnisse einer klinischen Studie für Aufsehen. Die amerikanischen Autoren konnten bei ihren Untersuchungen den Parodontitis-Leitkeim und seine Stoffwechselprodukte (Gingipaine) im Gehirn und Rückenmark verstorbener Alzheimer-Patienten nachweisen. Bei Mäusen, die mit dem Keim oral infiziert wurden, besiedelte Porphyromonas gingivalis das Gehirn und führte zu einer erhöhten Produktion der Alzheimer-Plaques (ß-Amyloid-Plaques). Die Forschenden sehen daher einen kausalen Zusammenhang zwischen einer Parodontitis und der Entstehung oder Begünstigung von Demenz.
Eine aktuelle Studie in den USA, die derzeit noch läuft, konzentriert sich darauf, die schädliche Wirkung des Mikroorganismus im Gehirn mit Medikamenten aufzuhalten.
Die Greifswalder Studie verglich forschungseigene MRT-Daten von parodontal behandelten und unbehandelten Patienten mit beginnender Demenz. Typisch für Alzheimer ist der stetige Verlust von Gehirnsubstanz. Im Rahmen der Studie fand man heraus, dass die Behandlung einer bestehenden Parodontitis bei Patienten einen moderaten bis starken positiven Einfluss auf den Abbau der Gehirnsubstanz hat. Mit anderen Worten: Eine Parodontitis-Behandlung minderte die beginnende Demenz.
Gute Mundhygiene ist auch Vorbeugung gegen Alzheimer
So harmlos es anfangs auch erscheint, sollte das Symptom nicht unterschätzt werden: Zahnfleischbluten muss nicht sein. Werden die Zähne regelmäßig geputzt und von Plaque befreit, erkrankt auch das Zahnfleisch weniger schnell. Die Pflege der Zahnzwischenräume einmal täglich und die Anwendung von Mundspülungen sorgen zusätzlich für eine gute Mundhygiene. Durch die professionelle Zahnreinigung zweimal im Jahr beim Zahnarzt bleiben Zähne und Zahnfleisch für lange Zeit gesund. Schädliche Keime aus dem Mund werden mit diesen Maßnahmen effizient in Schach gehalten, und eine Parodontitis hat schlechte Chancen, sich zu entwickeln.
Fazit
Gesund beginnt im Mund. Wie viel Einfluss erkrankte Zähne und parodontale Infektionen auf den Gesundheitszustand des übrigen Körpers haben, wird oft unterschätzt. Oder hätten Sie vermutet, dass sorgfältige Zahnpflege und regelmäßige Kontrollen beim Zahnarzt vielleicht sogar Alzheimer verhindern kann? Die frühzeitige Erkennung und Therapie ist der Schlüssel zu gesunden Zähnen.