Funktionsdiagnostik beim Zahnarzt – die große Wirkung kleiner Störungen
Haben Sie eigentlich den richtigen Biss? Bevor Sie jetzt in philosophische Grübeleien verfallen, fragen Sie doch mal Ihren Zahnarzt. Der richtige Biss – oder im Fachjargon die Okklusion – ist extrem wichtig, damit in Mund und Kiefergelenk alles rund läuft, und nicht nur dort. Funktionelle Störungen und Fehlstellungen am Kauorgan können Auslöser für zahlreiche andere Beschwerden sein, die man damit zunächst gar nicht in Verbindung bringt. Oder hätten Sie vermutet, dass Ihr Kausystem die Ursache für Ihre ständigen Rückenprobleme sein könnte?
Welche Ursachen haben Kiefergelenk- und Kaumuskelerkrankungen?
Neben ungünstigen genetischen Voraussetzungen können zum Beispiel Zahnverlust, schlecht sitzender Zahnersatz oder Zahn- und Kieferfehlstellungen der Auslöser sein. Fehlhaltungen des Körpers, Verletzungen der Halswirbelsäule oder des Kiefergelenks können eine CMD hervorrufen. CMD ist die Abkürzung für den Begriff Craniomandibuläre Dysfunktion, unter dem derartige Funktionsstörungen und Fehlregulierungen des Kauapparats zusammengefasst werden. Zähneknirscher (Bruxismus) reiben ihre Zahnsubstanz bei ihren unbewussten nächtlichen Aktivitäten so weit ab, dass unbehandelt daraus ein um bis zu mehreren Milllimetern verkürztes Abrasionsgebiss entstehen kann. Die Höcker und Reliefs der Zähne sind dann zu weit abgeschliffen, um eine harmonische Bissführung zu ermöglichen, und es kommt zu Fehlfunktionen im Kiefergelenk. Ein weiterer Risikofaktor ist psycho-emotionale Belastung, also Stress. Manche Menschen neigen dazu, ihre seelischen Belastungen über die Kaumuskulatur abzureagieren, nehmen dies aber im Schaf nicht wahr. Das führt zu Verspannungen, verkürzten Muskeln und bei andauernder Überbelastung zu einer craniomandibulären Dysfunktion. Schäden an den Zähnen durch nächtliches Zähneknirschen können mit einer Knirscherschiene verhindert werden.
Welche Folgen können Funktionsstörungen des Kausystems haben?
Durch Störungen im Kiefergelenk und dem Kaumuskelsystem können im gesamten Körper gesundheitliche Probleme entstehen. Manche Menschen leben schon lange mit Rückenschmerzen, Zähneknirschen, Migräne oder Tinnitus, ohne den geringsten Verdacht zu haben, dass hinter diesen Symptomen eine CMD stecken könnte. Unser Kausystem hat enormen Einfluss auf unser allgemeines Wohlbefinden. Die Muskulatur oder eine verlagerte Knorpelscheibe im Kiefergelenk können schmerzhafte Beschwerden hervorrufen. Knackende Geräusche im Kiefer, zurückgehendes Zahnfleisch, Kopf-, Nacken- und Rückenschmerzen, Tinnitus, Schwindel, Verspannungen, Zahnlockerungen, der Mund geht nicht auf oder zu – das alles können Symptome einer CMD sein. Fehlkontakte der Zähne können auf Dauer die Kaumuskeln und das gesamte Kiefergelenk schädigen. Die Muskeln des Kiefers und des Nackens werden ständig überlastet, da sie versuchen, eine falsche Bisslage auszugleichen oder sich entsprechend anzupassen.
Was passiert bei der Funktionsdiagnostik in der Zahnmedizin?
Die Funktionsdiagnostik (Gnathologie) stellt ein Spezialgebiet der Zahnheilkunde dar. Das Kausystem des Menschen besteht aus Zähnen, dem Kiefer, Kiefergelenken und Muskeln. Schon eine Verschiebung um wenige Millimeter oder eine einzelne Zahnlücke kann eine Störung in diesem hochsensiblen System verursachen. In der Funktionsdiagnostik untersucht der Zahnarzt mit modernen Analysemethoden die einwandfreie Funktion der Kiefergelenke, des Unterkiefers und der Kaumuskulatur. Bei der Analyse der Zähne, des Zahnhalteapparats, der Okklusion und der Kiefergelenke können krankhafte Veränderungen der gesamten Kieferregion festgestellt werden. Auch für die Planung von Zahnersatz kann eine Funktionsdiagnostik von großem Vorteil sein. Die Analyse wird – falls notwendig – in zwei Stufen durchgeführt:
1. Klinische Funktionsdiagnostik (auch manuelle Funktionsdiagnostik)
Die Untersuchung erfolgt ohne den Einsatz von Instrumenten und wird manuell von einem speziell fortgebildeten Zahnarzt ausgeführt. Der Patient wird zunächst eingehend untersucht, die bisherige Krankengeschichte und Schmerzsymptome abgefragt. Kopf- und Körperhaltung werden kontrolliert. Die Muskulatur und Kiefergelenke werden abgetastet, mögliche Einschränkungen der Kaubewegungen und der Mundöffnung erfasst. Der Bewegungsumfang des Kopfes wird getestet. Auch die aktuelle Lebenssituation des Patienten wird in diesem Zusammenhang abgeklärt, da psycho-emotionaler Stress bei der Entstehung von CMD eine große Rolle spielt.
2. Instrumentelle Funktionsdiagnostik
Bei einfachen Fällen kann auch die klinische Funktionsanalyse zur Diagnostik schon ausreichend sein. Die Analyse mit Instrumenten erfolgt in schwierigeren Fällen anschließend. Mit einem Bissregistrat – einer weichen Platte aus Wachs, Kunststoff oder Metall – werden die Zahnkontakte und die Stellung der Kiefer zueinander vermessen. Mithilfe von Röntgenbildern, einem Gesichtsbogen und individuellen Gebissabformungen, die in einem Artikulator das Zusammenspiel der Zähne bei Kau- und Seitwärtsbewegungen simulieren (statische und dynamische Okklusion), kann die Lagebeziehung der Kiefer zueinander genau festgestellt und kleinste Abweichungen gemessen werden. In manchen Fällen wird die instrumentelle Funktionsanalyse noch ergänzt durch Magnetresonanzaufnahmen oder Computertomografien.
Wie erfolgt die Behandlung einer CMD?
Je früher eine CMD erkannt wird, umso besser sind die Chancen für eine erfolgreiche Therapie. Ist schlecht passender oder abgenutzter Zahnersatz der Grund für die Probleme, muss er angepasst oder ausgetauscht werden. Verschobene Zähne können gerichtet, fehlende Zähne ersetzt werden, um eine gesunde Okklusion wieder herzustellen. Mit einer individuellen Aufbiss-Schiene kann der Zahnarzt nächtliches Zähneknirschen verhindern und einen falschen Zusammenbiss ausgleichen. Durch die mehrphasige Behandlung mit speziellen CMD Aufbiss-Schienen werden Kaumuskulatur und Kiefergelenke nicht nur entlastet und die Kiefergelenkköpfe wieder zentriert. Mit verschiedenen speziellen Schienenvarianten kann das Kiefergelenk neu positioniert und der Unterkiefer wieder in eine ausbalancierte Position gebracht werden.
Abhängig von der Ursache für die Beschwerden werden zur fachübergreifenden Behandlung auch Orthopäden, Physiotherapeuten, Osteopathen oder Kieferorthopäden mit einbezogen. Sind psychische Belastungen der Auslöser, können auch Entspannungsübungen wie Yoga, Autogenes Training oder eine Psychotherapie angeraten sein.
Übernimmt die Krankenkasse die Kosten für eine Funktionsanalyse?
Nein, die Funktionsanalyse ist eine Privatleistung und muss vom Patienten selbst getragen werden. Die Kosten, die dabei entstehen können, hängen vom notwendigen Aufwand der Analyse und den unterschiedlichen Therapiemaßnahmen ab. Die Funktionsdiagnostik kann wenige hundert Euro kosten, sich aber auch auf einige Tausend Euro belaufen.
Wenn Sie Beschwerden haben, die auf eine CMD hinweisen, wird die erste Untersuchung bei Ihrem Zahnarzt von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen. Aufbissschienen zahlt die Krankenkasse, solange sie sich in einem bestimmten Rahmen bewegen, dazu gehören individuell adjustierte Aufbissbehelfe oder -schienen, Miniplastschienen und Interzeptoren. Andere Schienenversionen sind ebenfalls Privatleistung und werden nach der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) berechnet.
Fazit:
Mit der Gnathologie lassen sich kleinste Veränderungen und Unregelmäßigkeiten im Kieferbereich feststellen, die häufig weder sichtbar noch fühlbar sind, aber dennoch Beschwerden bereiten. Auch wenn diese Untersuchung aus eigener Tasche bezahlt werden muss, kann eine zahnärztliche Funktionsanalyse bei Patienten mit einem langen, ungeklärten Leidenswegs mit einer CMD eine lohnenswerte Investition in die Gesundheit sein.
Hinweis: Dieser zahnmedizinische Artikel soll das Verständnis und Wissen über allgemeine Mundgesundheitsthemen fördern. Er ist kein Ersatz für professionelle Beratung, Diagnose oder Behandlung. Lassen Sie sich bei Fragen zu einer Erkrankung oder Behandlung immer von Ihrem Zahnarzt oder einem anderen qualifizierten Gesundheitsdienstleister beraten.
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